Der Glaube an geflügelte Himmelsboten verbindet die Menschen der meisten Religionen und Kulturen. Gibt es die überirdischen Wesen, die uns beschützen sollen, also wirklich?
So, wie die verschiedensten Vorstellungen von überirdischen Wesen und von Göttern und Göttinnen bestehen, gibt es zahllose Theorien zur Existenz von Schutzengeln. Diese große Zahl an Deutungen und Interpretationen lässt sich vor allem darauf zurückführen, dass wir Menschen von unterschiedlichen Religionen und Kulturen geprägt sind.
So ist es nur logisch, dass es auch zu diesem Thema eine Vielzahl von Ansichten und Meinungen gibt. Die monotheistischen Weltreligionen kennen den Glauben an bestimmte Himmelsboten, die uns Menschen vor Gefahren und Unbilden schützen. Und so kommen diese mysteriösen und doch hilfreichen Schutzwesen in Thora, Bibel und Koran vor.
Um an die Existenz von Schutzengeln zu glauben, muss man sich nicht einmal einer besonderen Glaubensrichtung zugehörig fühlen. Diese himmlischen Retter in der Not spielen seit jeher nicht nur in Religionen und Konfessionen eine große Rolle. Auch in säkularen Schriften und in der Philosophie nehmen sie eine zentrale Position ein.
Jeder Kultur ihre Engel
Schon in der Steinzeit glaubten die Menschen an geisterhafte Geschöpfen, die ihnen helfend oder tröstend zur Seite standen. Im alten Mesopotamien verehrte man geflügelte Wesen als Vermittler zwischen den Göttern und den Menschen. Aus dem antiken Ägypten kennen wir ebenfalls Darstellungen von himmlischen Geschöpfen. Sie waren vornehmlich weiblich und hatten ihre Flügel nicht am Rücken, sondern an den Armen.
Die griechische Mythologie kennt die Figur des „Daimon“, der seinen Namen dem Wort „daimonion“ verdankt, was nichts anderes als „Schicksal“ bedeutet. Die Griechen waren der Meinung, dass jeder Mensch einen ganz persönlichen Daimon hätte. Dieser würde ihn das ganze Leben lang begleiten und beschützen. Dieser ursprünglich positiv besetzte Begriff erhielt erst später eine negative Bedeutung und wandelte sich zu dem, was wir heute „Dämon“ nennen.
Auch die alten Römer glaubten an Geister, die sie Laren oder Penaten nannten. Diese waren nicht nur für den Schutz der Familie verantwortlich, sondern auch des Hauses oder eines ganzen Dorfes. Obendrein hatte jeder römische Mann seinen persönlichen Schutzgeist, den man als „Genius“ bezeichnete. Ein solcher stand den römischen Damen zwar nicht zur Seite, sie wurden dafür aber von einer „Lucina“ beschützt.
Helfer und Retter
In der nordischen Mythologie glaubten die Menschen an Schutzgeister, die sie „Fylgien“ nannten. Diese sollen schon bei der Geburt eines Kindes anwesend gewesen und ihm fortan überall hin gefolgt sein. In ihrem Dasein als Begleiter und Beschützer unterscheiden sie sich kaum von den Schutzengeln unserer heutigen Vorstellung.
Auch im Buddhismus sind Schutzgeister bekannt, die als „Bodhisattvas“ bezeichnet werden. Diese sollen im Tushita-Himmel leben und dort die Ankunft des nächsten Buddha erwarten. Ihre Hauptaufgabe besteht darin, Suchenden hilfreich unter die Arme zu greifen.
Ähnliche Vorstellungen sind im Judentum vorhanden, wo Engel im Alten Testament, in der Thora und im Talmud Erwähnung finden. Die geflügelten Himmelsboten spielen sogar schon in der Frühgeschichte des Volkes Israel eine wesentliche Rolle. Im Judentum versteht man unter Engeln vor allem übernatürliche Wesen, die sich ganz besonderen Menschen zu erkennen geben.
Judentum, Christentum, Islam
Der Islam kennt Engel als Boten, die einst dem Propheten Mohammed Allahs Offenbarungen übermittelten. Darüber hinaus gibt es in dieser Religion zwei „Schreiberengeln“, die zur linken und rechten Schulter jedes Menschen stehen. Sie beobachten die jeweilige Person und schreiben deren gute und böse Taten auf. Außerdem ist es ihre Aufgabe, ihre „Schützlinge“ vor Schäden und Unglücken zu bewahren.
Im Christentum spielen Schutzengel ebenfalls eine zentrale Rolle. Hier sieht man in ihnen vor allem Wesen, die über jeden Menschen zu seinem ganz persönlichen Schutz wachen. Ihre Aufgabe ist es, im Ernstfall helfend eingreifen zu können. Diese Vorstellung von „guten Engeln“ oder „helfenden Engeln“ findet sich bereits im Neuen Testament.
Die Verehrung der Engel als himmlische Scharen begann allerdings erst im Mittelalter. Sie nahm ihren Anfang mit der Anbetung des Erzengels Michael, den man als Schutzengel von Kranken und Verletzten, Soldaten und Seeleuten sowie Händlern betrachtete. Seit dieser Zeit besteht in der katholischen Kirche zu Ehren der Schutzengel sogar ein eigener Festtag. Am 2. Oktober ist der Tag der Schutzengel!
Racheengel
Wie Engel aussehen, weiß dennoch keiner – und so gibt es ziemlich widersprüchliche Aussagen. Ihr Erscheinungsbild kann von schön bis schrecklich, von riesig bis klein und von kraftstrotzend bis pummelig reichen. So gibt es im Abendland eine Vielzahl von Darstellungen und Beschreibungen der Schutzengel. Man findet sie in Kirchen und auf Friedhöfen, aber auch in Museen und Galerien – und kann sie als Ölbilder, Reliefs oder Statuen bewundern.
In den meisten Fällen werden Engel als geschlechtslose Geschöpfe mit Flügeln und einem Heiligenschein dargestellt. Dennoch hat sich ihr Aussehen im Laufe der Zeit mit ihrem Image immer wieder verändert. Im Mittelalters blicken sie starr, ausdruckslos und furchteinflößend auf die Menschen herab. Im Barock tummeln sie sich hingegen als kindhafte, pausbäckige Engelchen, denen man nicht wirklich zutraut, jemanden beschützen zu können.
Dennoch sollte man sich nicht von den kleinen, drolligen Putten täuschen lassen, die eher in einer Kinderkrippe passen würden. Im Laufe der Geschichte galten Schutzengel in der katholischen Kirche vor allem als stark und mächtig. Richten sich Engel an Menschen, so heißt es zunächst einmal: „Fürchtet euch nicht!“ Das allein zeigt, dass die geflügelten Himmelsboten furchteinflößend und ehrfurchtgebietend sind.
Retter in der Not
In der Bibel gibt es sogar Passagen, die den Engeln dämonische Kräfte zuschreiben. Der Sieg des Erzengels Michael über den gefallenen Engel Luzifer gibt Zeugnis von seiner gewaltigen Kraft. Im Buch Genesis wird den Cherubim ebenfalls große Macht zugeschrieben. Obwohl sie die Schutzengel des Lichts sind, bewachen sie mit ihren Flammenschwertern das Tor zum Paradies. Ihre Aufgabe ist es, den Sündern Adam und Eva die Rückkehr ins Paradies zu verwehren.
Die Vorstellungen von Schutzengeln können also äußerst unterschiedlich sein. Dennoch haben sie auch viele Gemeinsamkeiten. So handelt es sich um Wesen, die im Himmel leben und mit dem Schöpfer in Verbindung stehen. Aus diesem Grund verfügen sie auch über Kräfte, die weit über das menschliche Maß hinausgehen.
Engel sind unsichtbare Geschöpfe, die uns Menschen durch unser Leben begleiten und unsere spirituelle Entwicklung überwachen. So können sie uns schlechte Erfahrungen leider nicht immer ersparen, da wir auch diese für unsere Entwicklung benötigen. Sie stehen uns bei, wenn wir in Gefahr geraten, dürfen aber nur eingreifen, wenn der kosmische Plan es gestattet.
Volksglaube und Volksfrömmigkeit
Das erklärt auch, warum Engel Unfälle geschehen lassen und Unglücke nicht verhindern. Sie müssen diese Prüfungen zulassen, damit die Menschen zu innerer Reife und seelischem Wachstum gelangen. Die Schutzengel sind also auch für den Reifungsprozess der Menschen verantwortlich.
Viele Menschen sind davon überzeugt, dass die himmlischen Scharen wirklich existieren. Letztendlich hat die Vorstellung von Wesen, die uns beschützen, ja etwas Tröstliches. In Mitteleuropa ist der Glaube an Schutzengel vor allem in der Volksfrömmigkeit weit verbreitet. Engelmotive finden sich nicht nur auf Altären und Grabsteinen, sondern auf Gebrauchsgegenständen wie Tellern, Tassen oder Servietten.
Die himmlischen Beschützer finden sich auch in vielen Redewendungen. Ist jemand einem Unfall entgangen, so sagt man „er hatte einen Schutzengel“. Und in Augenblicken der Gefahr macht man sich mit dem Satz Mut, dass man sich „auf seinen Schutzengel verlassen kann!“
Die Renaissance der Engel
Man kann Schutzengel zwar nicht als körperliche Wesen erkennen, aber es gibt viele Menschen, die von Engelkontakten berichten. Sie behaupten, mit einem Schutzengel in Verbindung getreten zu sein, ihn vielleicht sogar gehört, gesehen oder gespürt zu haben. Manche beschreiben Engel als grelles Licht, dessen Leuchtkraft die Augen blendete.
Einige sind überzeugt davon, dass ihr Schutzengel immer an ihrer Seite ist. Sie meinen, in gewissen Situationen zu spüren, wie eine Hand sie berührt. Andere beschreiben das Gefühl, ein mächtiges und doch beruhigendes Geschöpf wäre anwesend.
Derzeit wird wieder vermehrt über Engel und Schutzengel berichtet und geschrieben. Das kann einerseits darauf hindeuten, dass die Menschen sich wieder stärker dem Spirituellen öffnen. Andererseits kann es ein Indiz dafür sein, dass die Leute verstärkt auf Hilfe „von oben“ hoffen. Und das geschieht möglicherweise, weil sie sich immer schwerer zurechtfinden …